Präsidentenwahl im Iran: Im Iran will ein alter Bekannter zurück ins Amt (2024)

Ahmadinedschad, Präsident von 2005 bis 2013, ist der prominenteste Bewerber um die Nachfolge von Staatschef Ebrahim Raisi, der am 19. Mai mit einem Hubschrauber abstürzte und starb. 80 Kandidaten haben sich zur Neuwahl angemeldet, die meisten sind erzkonservative Politiker wie Ahmadinedschad, Parlamentspräsident Mohammad Baqer Qalibaf und Saeed Dschalili, ein früherer Atom-Unterhändler des Iran und Vertrauter von Revolutionsführer Ali Khamenei. Bekanntester Bewerber aus dem gemäßigten Lager ist ein Vorgänger von Qalibaf im Amt des Parlamentspräsidenten, Ali Laridschani.

Reformen sind eher unwahrscheinlich

Raisis Tod habe die politische Landschaft im Iran neu sortiert, sagt der Iran-Experte Ali Fathollah-Nejad, Gründungsdirektor der Berliner Denkfabrik CMEG. „Der Kampf um das Präsidentenamt wird innenpolitische Auseinandersetzungen intensivieren, besonders im konservativen Lager“, sagte Fathollah-Nejad unserer Zeitung. Für Experten wie Fathollah-Nejad ist die Bewerbung eines international kaum bekannten Kandidaten besonders interessant: Vahid Haghanian, ein Berater von Revolutionsführer Khamenei und früherer Offizier der Revolutionsgarde, hat sich ebenfalls als Präsidentschaftsbewerber angemeldet. Der 64-jährige hat keinerlei Erfahrung mit politischen Ämtern, doch er hat einen Trumpf im Ärmel, bei dem andere Kandidaten nicht mithalten können: Haghanian kennt Khamenei, den mächtigsten Mann der Islamischen Republik, seit der Zeit der Revolution von 1979.

Der 85-jährige Khamenei will den Fortbestand der Islamischen Republik über seinen Tod hinaus sichern. Deshalb hat er in den vergangenen Jahren konservative Politiker an alle wichtigen Schaltstellen gesetzt. Präsident Raisi spielte in Khameneis Plänen eine wichtige Rolle. Ihm wurden Chancen zugerechnet, Khamenei zu beerben. Nach Raisis Tod musste der greise Revolutionsführer umdenken.

Fathollah-Nejad sieht Haghanians Kandidatur als Versuch von Khamenei, noch mehr Macht an sich zu reißen. Haghanian stehe auch Mojtaba Khamenei nahe, dem Sohn des Revolutionsführers, sagt Fathollah-Nejad. „Wenn Mojtaba Khamenei in die Führung aufsteigt, könnte das ein dynastisches Modell einläuten, das die politische Lage im Iran verändern würde. Autokratische Tendenzen könnten verstärkt werden, und die Aussichten auf Reformen würden weiter sinken“, meint Fathollah-Nejad. In diesem Fall werde es stärkere Spannungen in der iranischen Innenpolitik geben.

Reformen sind auch bei anderen Kandidaten unwahrscheinlich. Ahmadinedschad forderte als Präsident die Vernichtung Israels und heizte die Konfrontation mit dem Westen an. Manipulationen bei seiner Wiederwahl 2009 lösten landesweite Proteste aus. Der Hardliner Ahmadinedschad ist für die iranische Führung aber kein angenehmer Kandidat. Er präsentiert sich als Verteidiger der kleinen Leute, die unter Korruption und Misswirtschaft des Regimes leiden. Khamenei ließ ihn von den Präsidentschaftswahlen in den Jahren 2017 und 2021 ausschließen.

Regime will hohe Wahlbeteiligung

Ahmadinedschad hätte als Kandidat für die Führung allerdings einen Vorteil: Er könnte die Wahlbeteiligung hochtreiben. Auch Ex-Parlamentspräsident Laridschani könnte als relativ gemäßigter Politiker Wähler an die Urne bringen. Die Wahlbeteiligung, die im Iran über Jahrzehnte sehr hoch war, ist wichtig für die Legitimation der Islamischen Republik. Bei der letzten Präsidentenwahl 2021 sank die Beteiligung auf den historischen Tiefstand von 41 Prozent. Millionen Iraner wenden sich von der Islamischen Republik ab, besonders seit der Niederschlagung der letzten großen Proteste, die sich vor zwei Jahren am Tod einer jungen Frau in der Gewalt der Religionspolizei und am Kopftuchzwang für Iranerinnen entzündet hatten.

Das Regime will verhindern, dass die Beteiligung bei der Wahl am 28. Juni weiter absackt. Khamenei muss deshalb nun kalkulieren, welches Kandidatenfeld seinen Interessen entspricht und ob er unbequeme Kandidaten wie Ahmadinedschad zulässt. Die Entscheidung fällt in den kommenden Tagen: Der von Khamenei kontrollierte Wächterrat will kommende Woche bekanntgeben, wer sich um das Präsidentenamt bewerben darf.